Trauer um Ignatz Bubis

  

Hamburg (FAS) · 13. August 1999 · Die Hamburger Forschungs- und Arbeitsstelle (FAS) »Erziehung nach/über Auschwitz« hat mit tiefer Trauer, Bestürzung und Anteilnahme für die Angehörigen von dem Tod des Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland Kenntnis genommen. Der Leiter der FAS, Matthias Heyl, erklärte am Abend:

»Dass Ignatz Bubis mit dem Gefühl gegangen ist, zu wenig bewirkt zu haben, schmerzt mich persönlich am allermeisten. Er hat uns angeregt, motiviert, angestoßen. Wir haben - wie im Falle der Walser-Debatte - noch geschwiegen, während er schon die Stimme erhob. Er ist von uns, die wir ihn gebraucht haben, häufiger allein gelassen worden, als wir von ihm. Eine verkehrte Welt in der die Überlebenden die Nachgeborenen ermutigen und anstoßen müssen.

Ignatz Bubis ist nie in der Rolle des Mahners, der moralischen Instanz, aufgegangen. Anders, als seine Kritiker behaupteten, ist ihm um das Gewicht, das seinen Worten beigemessen wurde, manchmal sichtlich nicht wohl gewesen. Vieles von dem, was Ignatz Bubis aussprach, wäre andernorts eine Selbstverständlichkeit gewesen; dass häufig andere es versäumten, Position zu beziehen, hat seine Courage hier umso beispielhafter gemacht. Hierzulande hat er mit seinen Worten immer wieder auch Menschen aufgeschreckt, die - seit den Tagen des Holocaust selbst - von der Geschichte nichts wissen wollten. Ihnen war Bubis ein Ärgernis. Er hat uns daran erinnert, dass wir uns um unsertwillen der Geschichte stellen müssen, damit sie uns nicht stellt. Auch Ignatz Bubis war die Erinnerung nicht leicht. Er hat sie sich zugemutet.

Ignatz Bubis hat in seinem Leben vieles bewirkt. Er hat vielfach die Stimme erhoben, wenn andere schwiegen. Und dennoch stand er mit dem, was er sagte, auch unter Nichtjuden nicht allein. Der kritischen Öffentlichkeit dieses Landes fehlt nun eine ihrer wichtigsten, nämlich Ignatz Bubis’ Stimme. Dass seine Stimme Gewicht hatte, geht nicht auf sein Amt zurück, sondern auf den Menschen. Unser Land, unsere Öffentlichkeit, wir alle sind mit seinem Tod heute ärmer. Ignatz Bubis wird uns fehlen. Als Beispiel bleibt er uns.«

Ignatz Bubis hatte zu den frühen Unterstützern der FAS gehört. 1995 und 1998 hatte er für zwei Tagungen zum Thema »Erziehung nach Auschwitz« die Schirmherrschaft übernommen.