Lehrerfortbildungen in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland zu den Themenfeldern Nationalsozialismus, Holocaust, jüdische Kultur und Geschichte, Rechtsextremismus und Antisemitismus 1990 – 2000/2001- Eine inventarisierende Erhebung

Bundesweite Entwicklung der Anzahl der gemeldeten Seminare zwischen 1990 und 2001

Von 1990 bis 1998 ist in der Tendenz ein Ansteigen der Angebote in der Lehrerfortbildung zu den von uns erfragten Themengebieten zu erkennen. Der Versuch, rechtsextremistischen Tendenzen unter Jugendlichen zu begegnen, hat in Sachsen offenbar seit 1999 zu verstärkten Angeboten geführt, die den Abwärtstrend in der kumulativen Übersicht stoppen (der allein daraus entsteht, dass die Mehrzahl der Rückmeldenden keine Seminare für 2001 angeführt haben), wobei gleichzeitig aus Sachsen – wie auch aus Hessen – ein Ansteigen der gemeldeten abgesagten Seminare zu verzeichnen ist. Die kontinuierlich breite Basis der gemeldeten Seminare geht auf Bayern und Hessen zurück, die auch am ausführlichsten in ihren Meldungen waren.

Orientierung der Seminare in den Ländern auf Themen

Seminare in den Ländern auf Themen, kumulativ

Überwiegend sind die gemeldeten Seminare auf die Geschichte des Nationalsozialismus (1) hin orientiert, gefolgt von anderen Themenschwerpunkten (6) – was sicher zu einem guten Teil auf die gemeldeten Israel-Exkursionen zurückgeht, während derer beispielsweise der Nahostkonflikt größeren Raum einnimmt; gleichzeitig wurden  einige Seminare zum Thema Zwangsarbeit gemeldet. Der Holocaust (2) folgt an dritter Stelle – wobei unklar ist, mit welchem interpretatorischen Hintergrund dieser Begriff von den Bearbeiterinnen/Bearbeitern gefasst wurde. Jüdische Geschichte (3b) und Kultur (3a) liegen mit der Behandlung des Antisemitismus (5) fast gleichauf, schließlich gefolgt von einem Phänomen, das unsere Gesellschaft in den vergangenen Jahren besonders nachhaltig beschäftigt hat: der Rechtsextremismus (4). 

Orientierung der Seminare in den Ländern auf Schularten

Orientierung der Seminare in den Ländern auf Schularten, kumulativ

In der Orientierung auf die Schularten wird deutlich, dass in den beteiligten Ländern nach der vorliegenden Datenbasis eine deutliche Tendenz besteht, Angebote (in absteigender Tendenz) für Gymnasien (5), Haupt-(2), Real-(3) und Berufsschulen (6) zu profilieren. In Sachsen liegt besonderer Nachdruck auf der Fortbildung von Mittelschullehrern (4) noch vor den Gymnasiallehrern. Der Fehler, dass Gesamtschulen im Erhebungsbogen eine eigene Kategorie erhalten haben,  führt zu dem besonders hohen Ausschlag in der Kategorie »andere« (8) in Hessen. Fassen wir Haupt-, Real- und Mittelschulen zusammen, ergibt sich eine deutliche Ver­schiebung.

Deutlich bleibt allerdings, dass für Grund-(1), Sonder-(7) und Berufsschulen (6) deutlich weniger Angebote formuliert werden. Selbst in Hessen, wo im universitären Feld die Einbeziehung des Themas Holocaust in den Grundschulunterricht am stärksten befürwortet wird, gibt es keine entsprechen­den Fortbildungsangebote. Aber auch für die im Grundschulunterricht leistbarere Auseinandersetzung mit der Vielfalt jüdischer Kultur sind die Angebote rar, eigene Fortbildungsangebote für die Lehrerinnen und Lehrer des Primarbereichs wurden nicht benannt. Da uns gerade viele Anfragen von LehrerInnen aus dem Berufsschulbereich erreichen, die sich durch fremdenfeindliche und rechtsextremistische Tendenzen unter ihren Schülern verunsichert fühlen, hat uns dieses Ergebnis in besonderer Weise überrascht.

Orientierung der Seminare in den Ländern auf Schularten, Real-, Haupt- und Mittelschulen zusammengefasst, kumulativ

Fachorientierung der Seminare in den Ländern

Fachorientierung in den Ländern, kumulativ

In der Fächerorientierung zeigt sich deutlich im Schnitt eine Orientierung auf das Fach Geschichte [G] hin, das in der Regel als Zweistundenfach unterrichtet wird. Es folgt der Unterricht in den Fächern Gemeinschafts-/Sozialkunde/Politik [Gmk], mit Abstand dann Religion [Rel] und Ethik [Eth]. Für den Deutschunterricht [D], dem allgemein der Rang eines zentralen Unterrichtsfaches zugebilligt wird, werden vergleichsweise wenig Angebote gemacht. Da viele Schülerinnen und Schüler ihre erste unterrichtliche Begegnung mit der Geschichte des Holocaust über die Lektüre von themenbezogener Literatur im Deutschunterricht machen, und uns immer wieder Anfragen von Deutschlehrerinnen und -lehrern mit Blick auf Lektüreempfehlungen hat uns dieser Sachverhalt besonders verwundert. Und dies einmal mehr, da in der internationalen, insbesondere aus den USA geprägten Diskussion Ansätze der Arbeit mit literarischen Zeugnissen eine besondere Bedeutung gewonnen haben. In besonderer Weise wird dieser Schwerpunkt in Deutschland von der Arbeitsstelle für Holocaustliteratur am Institut für neuere deutsche Literatur der Justus-Liebig-Universität Gießen vertreten, deren stellvertretender Leiter Sascha Feuchert eine hervorragende Unterrichtshilfe herausgegeben hat. [Otto-Behaghel-Str. 10 B / 1, 35394 Gießen, Tel.: (06 41) 9 92 90 93, Fax: (06 41) 9 92 90 94, www.holocaustliteratur.de, Feuchert (Hg.): Holocaust-Literatur. Auschwitz. Stuttgart 2000 [Reclam, Arbeitstexte für den Unterricht]