Nach seiner Verurteilung im Oktober 1938 zu zweieinhalb Jahren Zuchthaus wegen "Rassenschande" kam August Landmesser in das Strafgefangenenlager Börgermoor I im Emsland.
Die Ernsland-Lager, wie sie hießen, standen bei allen Gefangenen gleichwohl in wildem Verruf. Formal sollten nur kriminelle Strafgefangene in sie verschickt werden, es wurden jedoch auch politische Schutzhäftlinge in großer Zahl ,ins Moor' eingeliefert, desgleichen Hoch- und Landesverräter."
"Die Zuchthausstrafe galt
als schwerste Freiheitsstrafe, die sowohl lebenslang, als auch in zeitlichen
Abstufungen von 15 Jahren bis zu mindestens 1 Jahr verhängt werden konnte.
Sie hatte die dauernde Unfähigkeit zum Heeresdienst und zur Bekleidung
öffentlicher Ämter zur Folge ... Daraus ist zu schließen, daß vor allem
die Gefangenen mit den schweren und schwersten Strafen in die Emslandlager
eingeliefert wurden. Sie sollten als nicht besserungsfähige Straftäter
einem besonders abschreckenden Strafvollzug unterworfen werden...
Nicht jeder Gefängnis- und Zuchthausgefangene konnte zum Strafvollzug in
die Arbeitslager eingeliefert werden. . . Der Gesundheitszustand und das
Lebensalter waren Kriterien für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit... dass
der Erziehungs- und Besserungszweck in den Emslandlagern faktisch wegfiel,
um der schieren Nutzung von Gefangenenarbeitskraft Platz zu machen...
Zuweisung ,nützlicher Arbeit' besonders im Freien... Erschließung von
Ödland [Moorkultivierung]...
Vor allem unter den Zwängen der anlaufenden kriegswirtschaftlichen
Produktion musste ein großer Teil dieser Personen für andere wichtige
Tätigkeiten an Außenarbeitsstellen abgegeben werden... "
Zufällig entdeckte Augusts Tochter Irene 1991 in der Wochenzeitung "Die Zeit" ein Bild ihres Vaters.
Dieses Bild fand sich in der "Zeit" vom 22. März 1991 als Illustration zu einer Buchbesprechung mit dem Titel "Lockung und Zwang. Warum große Teile der Arbeiterschaft sich mit dem NS-Regime arrangierten". August Landmesser ist der Mann im weißen Rahmen rechts.
Hier eine Ausschnittvergrößerung:
Das Bild ist dem Katalog "Wir sind die Kraft" entnommen, die Bildunterschrift lautet: "Werftarbeiter von Blohm und Voss beim Stapellauf des Schlachtschiffs 'Bismarck' am 14. Februar 1939. Ganz selten wagte es jemand, sich in der Öffentlichkeit den verordneten Ritualen zu verweigern wie jener Arbeiter in der Mitte rechts."
Auch dem Schriftsteller Dr. Till Bastian fiel das Foto in der "Zeit" auf. Das "Hamburger Abendblatt" veröffentlichte dazu am 15. November 1995 folgenden Aufruf:
Wurde das Foto bereits 1936 aufgenommen?
Herbert Diercks, der Herausgeber des Gedenkbuchs "Kola-Fu - Für die Opfer aus dem Konzentrationslager, Gestapogefängnis und KZ-Außenlager Fuhlsbüttel" bezweifelt, dass August Landmesser als Zuchthausgefangener unbewacht in der Menschenmenge hätte stehen dürfen.
Er ging der Frage nach und fand heraus, dass das Foto, das sich im Archiv der "Süddeutschen Zeitung" befindet, nicht 1939, sondern tatsächlich beim Stapellauf des Segelschulschiffes "Horst Wessel" aufgenommen wurde.
Grund zur Verweigerung hatte August Landmesser auch damals schon.
Auch war er zeitweilig als Kesselreiniger tätig gewesen.
Auch er wurde also als Strafgefangener in der Rüstung beschäftigt. Blohm und Voss bekam Strafgefangene aus verschiedenen Lagern für den Schiffsbau.
"Von der Marinerüstung profitierte der Hamburger Schiffsbau mit Blohm und Voss an der Spitze. Hitler kam am 13. März 1939 erneut nach Hamburg, um anlässlich des Stapellaufs der ,Bismarck', des ersten großen 35000- Tonnen-Schlachtschiffes, die Taufrede zu halten." (Kriegsausbruch 1. September 1939)
So erging es Irma Eckler und den Töchtern Ingrid und Irene...