LehrerInnenzimmer des Hamburg-Forums der FAS


 

Unterrichtsmaterialien

Die hier vorgelegten Dokumentationen mit Hamburg-Bezug sind für den Unterricht aufbereitet: 

Anlässe: Boykott 1933 · »Polenausweisung« 1938 · Pogrom 1938 · Deportation nach Lodz / »Litzmannstadt« 1941 · Deportation nach Riga 1941

Personen: Irma, Irene und Ingrid Eckler · Alfred Gordon · August Landmesser · Familie Maidanek · Fritz Sarne · Täter: Wilhelm Koppe

Themen: Antisemitismus · Courage · Deportation · Täter (1) · Täter (2) · Überleben 

 

Zu diesem Angebot

Diese Dokumentation soll Materialien für eine mehrperspektivische Auseinandersetzung mit der Deportation des 25. Oktober 1941 für den Unterricht bereitstellen. Die Idee, über die biographische Konkretion auch ein identifikatorisches Lernen anzuregen, ist nicht neu und hat erkennbare Grenzen. In einem israelischen Gedicht heißt es: »Jeder Mensch hat einen Namen« - Ziel müsse es sein, den Namen Gesichter zu geben. Der niederländische Erziehungswissenschaftler Ido Abram hat darauf hingewiesen, dass es jedoch keineswegs selbstverständlich sei, dass Jugendliche sich mit den Verfolgten und historisch »Schwachen« identifizierten.

Adorno hat bereits in seinem Aufsatz »Erziehung nach Auschwitz« im Jahre 1966 unter anderem formuliert:

Auf der Seite der »Täter« und »Zuschauer«, nicht auf der Seite der Verfolgten und Ermordeten liegt das Wiederholungsrisiko. Wie aus »ganz normalen Menschen« Täter wurden, muss uns daher besonders interessieren.

Schließlich gibt es noch einen eher moralischen Grund, die Täter in den Blick zu nehmen: um der Ermordeten willen. Ohne die Mörder kein Mord.

Einer von ihnen, der Höhere SS- und Polizeiführer Wilhelm Koppe, wird hier ebenfalls vorgestellt. Die Recherchen zu seiner Person sind noch am Anfang, und von daher wird man aus dem hier vorliegenden Material keine längeren Überlegungen zu seinen Motiven für seine Beteiligung an dem Morden (die hier auch noch sehr wenig konkret bleibt) fundieren können. Bei einer Onlinerecherche sind wir allerdings auf eine Seite des Simon Wiesenthal Centers gestoßen, wo allein 225 Dokumente zur Person Koppes zu finden sind. Hier können die SchülerInnen selber historisch arbeiten und bewerten.

Die Anregung, das Medium Internet in die Arbeit ergänzend einzubeziehen, erfordert »media literacy«, Kompetenz im Umgang mit dem Medium. Die kann bei Projektphasen der Recherche erworben werden. Allerdings stößt man etwa bei der Suche nach dem kombinierten Suchbegriff »Wilhelm Koppe« nicht nur auf einen Sägewerksbesitzer dieses Namens, sondern auch auf eine Reihe von Seiten, die den SS-General Koppe behandeln, deren Orientierung und Motivation aber nicht immer deutlich wird. Der »quellen-« und medienkritische Umgang, das Abgleichen von Informationen, kann hier geübt werden.

Gleichzeitig sind einige kompetente Einrichtungen bereits genannt, die hervorragende Websites bereithalten.

Dass Quellen nicht nur Quellen sind, möchte ich Ihnen an einem Dilemma darstellen, das mir bei den Forschungen, die zu diesem Materialien die Grundlage bildeten, begegnete.

Vor einigen Jahren bekam ich Kontakt zu Dr. John Maidanek, dem einzigen überlebenden Sohn der Harburger jüdischen Familie, die hier auch vorgestellt wird. Er wusste, dass seine Eltern und sein Bruder nach Lodz deportiert worden und später umgekommen sind. Aber er verfügte über keine genaueren Angaben. Als ich im Archiv Lodz auf die An- und Abmeldekarten seiner Angehörigen stieß, zögerte ich: was sollte ich damit tun? Sollte er erfahren, dass sein Bruder vermutlich im Ghetto verhungert ist? Dass seine Mutter ihren Mann und Sohn überlebt hat, um dann selbst… für John Maidanek waren dies nicht bloß historische Quellen.

Aber durfte ich für ihn die Entscheidung treffen, ob er diese Details erfährt? Nach längerem Überlegen habe ich ihm geschrieben, dass ich Kopien der Meldekarten bekommen habe, dass diese Kopien in einem verschlossenen Kuvert meinen Zeilen beigefügt seien und dass er entscheiden solle, ob er den Umschlag öffnen wolle.

Es geht bei alledem um Menschen. Zum Beispiel um Helene und Karl Maidanek und ihren Sohn Herbert, Alfred Gordon und Fritz Sarne.

Hier finden Sie den Quellen zugeordnet eine Reihe von Anregungen für Aufgabenstellungen; bei einigen Texten haben wir bewusst darauf verzichtet. Mit manchen Texten lässt sich mit manchen Lerngruppen etwas anfangen, andere Texte taugen seltener. Wir wollten einen längeren historischen Horizont spannen, der letztlich auch die Anfänge der Verfolgung einschließt und im Fall von Fritz Sarne und John Maidanek bis in die Gegenwart reicht.

Dies ist keine umfassende Dokumentation, und es fehlt eine umfassendere Zusammenstellung von Literaturhinweisen. Hier vertrauen wir auf die Expertise, die sich an den Schulen in den vergangenen Jahren entwickelt hat – und dass die Einrichtungen – wie das Museum für Hamburgische Geschichte, die Gedenkstätte Israelitische Töchterschule in der Karolinenstraße, das Institut für die Geschichte der deutschen Juden in der Rothenbaumchaussee, die Forschungsstelle für Zeitgeschichte am Schulterblatt und die Landeszentrale für politische Bildung sowie die Geschichtswerkstätten in den Stadtteilen – hinlänglich bekannt sind, die bei der Spurensuche weiterhelfen können.

Vieles von dem, was Sie hier dokumentiert finden, ist auch auf der CD-ROM »Vielleicht steht die Synagoge noch!« - Ein virtuelles Museum zur Geschichte der Harburger Juden enthalten, die wir mit freundlicher Unterstützung der Behörde für Schule, Jugend und Berufsbildung entwickelt haben und die Ende 1999 an die weiterführenden Schulen in je zwei Exemplaren gegangen ist.

Die FAS bietet Hilfestellungen für die pädagogische Praxis und verfügt über eine umfangreiche Bibliothek, die u.a. auch Videos, CD-ROMs und deutsch- und englischsprachige Unterrichtsmaterialien zum Thema umfasst.