Brief vom Juni 1941
- Juni 1941 Meine Lieben !
Leider bin ich noch nicht in dem Besitz Eures Junibriefes und kann somit
nichts beantworten. Wenn Ihr meine Bitte erfüllt, macht Ihr Mutschel sicher
sehr glücklich. Habt Ihr schon eine Antwort auf Eure Anfrage? Sie machte
mich so hoffnungsfroh.
Zu den Geburtstagen draußen bei Euch wünsche ich allen alles Gute. Ich
träume mich an Tagen, wo ich Euch beisammen weiß, immer dazu. Ich sitze
dann bei Euch im Garten, sehe Ingrid dort herumtollen und so tröste ich
mich Monat für Monat, Jahr für Jahr. Aber das ist so schwer, denn das
Heimweh wächst ständig.
In Gedanken sehe ich mein so winziges Stummelchen schon mit dem Ränzel
jetzt bewaffnet. Daran erkenne ich wie die Zeit läuft. Ich lebe hier wie im
Traum, weil mein Körper nur hier weilt, mein Geist weilt bei Euch.
Nun die Hauptsache, Ihr seid und bleibt mir gesund. Was macht der Vater von
Ingrid und Irene? Schaut er mal nach den Kindern? Von mir aus braucht er es
nicht.
Wenn Ihr etwas von Bedeutung für mich erfahrt, teilt es mir bitte gleich
mit. Es würde mich freuen, mal wieder von meinen Geschwistern einen Brief
mit zu Eurem zu bekommen.
Nun seid innigst gegrüßt und geküsst
Eure Irma
Erklärungen:
Aus beiden Gerichtsurteilen des August Landmesser wegen
"Rassenschande" ging hervor, daß Irma Eckler, nachdem sie vom Gericht
erfuhr, daß sie als "Volljüdin"
gelte, sich, um weitere Schwierigkeiten zu vermeiden, von ihm trennen wollte.
August Landmesser hat sie, nachdem er im Mai 1938 aus der Haft entlassen wurde,
trotzdem öfters besucht, auch um seine Kinder zu sehen.
Als sie am 18. Juli 1938 ebenfalls verhaftet wurde, hat
sie auch in ihm den Schuldigen an ihrer misslichen Lage gesehen. Außerdem
zahlte er keinen Unterhalt für die Kinder, war auch zeitweise nicht in der Lage
dazu.
Alles hatte dazu beigetragen, die Eltern zu entfremden.